Krebsregister: Seit dem 01.07.2016 gilt in Berlin und Brandenburg eine Meldepflicht für Krebserkrankungen

In Berlin und Brandenburg wird eine neue Meldepflicht für Krebserkrankungen an ein gemeinsames Krebsregister seit dem 01.07.2016 eingeführt. Wer die Meldung nicht richtig, nicht rechtzeitig, nicht vollständig oder gar nicht vornimmt, obwohl er als Arzt dazu verpflichtet ist, dem droht ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro. Daher sollte sich jeder Arzt, ob Onkologie, Pathologe, Labormediziner oder Klinikarzt, mit den neuen Meldepflichten beschäftigten. Bei Versäumen der Meldepflicht können ab Anfang August die ersten Bußgelder drohen.

Die Analyse großer Datenmengen (Big Data) kann auch im Gesundheitswesen helfen, die Entstehung von Krankheiten, deren regionale Verteilung und erfolgreichste Behandlungsmethoden im Interesse der Allgemeinheit, aber auch des einzelnen Patienten besser zu verstehen. Speziell für Krebserkrankungen gab es seit 1926 in Hamburg und später in der DDR das Nationale Krebsregister (siehe allgemein hierzu).

Klinische Krebsregister im Sozialgesetzbuch und Krebsregisterdatengesetze

Durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung und zur Qualitätssicherung durch klinische Krebsregister – kurz Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz – KFRG – wurde am 09.04.2013 unter anderem im Sozialgesetzbuch eine Regelung zur Schaffung von Krebsregistern eingeführt (siehe zur Beratung im Gesundheitsausschuss).

In § 65c SGB V  (Sozialgesetzbuch) wurde angeordnet, dass die Bundesländer zur Verbesserung der onkologischen Versorgung klinische Krebsregister einrichten. Deren Aufgabe ist es, die Daten aller Krebspatienten zu erfassen, auszuwerten, die Erkenntnisse an Wissenschafter, Ärzte und Kliniken weiterzugeben und die Behandlung der Patienten zu verbessern. Angestrebt ist eine möglichst flächendeckende und vollzählige Datenerfassung aller Tumorkranken.

Die Krankenkassen müssen den Krebsregisterstellen pro Patient eine Pauschale zahlen, die davon ihre Kosten decken und den Ärzten, die die Daten einmelden müssen, eine Meldevergütung zahlen, § 65c Abs. 6 SGB V.

Das Bundeskrebsregisterdatengesetz vom 10.08.2009 bestimmt auf Bundesebene die Einrichtung eines Zentrums für Krebsregisterdaten am Robert Koch-Institut, § 1 Abs. 1 BKRG, welches die Daten der Landeskrebsregister zusammenführen und statistisch, wissenschaftlich auswerten soll. In § 3 ist festgelegt, dass und welche Daten die Landeskrebsregister an das RKI, dem dortigen Zentrum für Krebsregisterdaten, zu melden haben. Hierzu zählt auch eine Kontrollnummer, die von den Landeskrebsregistern zum Datenabgleich untereinander als pseudonyme Nummer vergeben wird, damit dem Datenschutz Rechnung getragen werden kann und keine direkt personenbezogen Meldung von Gesundheitsdaten an das RKI erfolgen muss.

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat am 13.03.2013 in einer Entschließung die Verbesserung der Pseudonymisierung der Krebsregisterdaten gefordert.

Krebsregister in Berlin, Brandenburg – Cottbus

Das Krebsregister für die Bundesländer Berlin und Brandenburg wurde durch einen am 12.04.2016 von beiden Ländern unterzeichneten Staatsvertrag geschaffen und hat seinen Hauptsitz in Cottbus, vgl. Art 4 des Staatsvertrages. Der Staatsvertrag wird seinerseits in den beiden Bundesländern durch ein Zustimmungsgesetz ratifiziert. (siehe allgemeine Ärzteinformation)

Der Staatsvertrag definiert in Art. 3 verschiedene Kategorien von Daten: Identitätsdaten (inkl. Namen und Geburtsdatum), epidemiologische Daten, klinische Daten, medizinische Daten, Daten zu meldepflichtigen Personen oder Meldestellen (insbesondere Ärzte, Onkologen, Labore, Kliniken) und abrechnungsrelevanten Daten.

Artikel 11 regelt die Meldepflichten. Meldepflichtig sind alle in Berlin und Brandenburg tätigen Ärzte. Wenn ein in Artikel 12 definierter Meldeanlass vorliegt, ist die Meldung innerhalb einer Frist von vier Wochen vorzunehmen, Art. 11 Abs. 2. Welche Erkrankungen im Einzelnen meldepflichtig sind, wird im Art. 11 Abs. 4 näher geregelt und in einer FAQ-Liste für meldepflichtige Personen und Meldestellen näher erläutert.

Da die Meldung personenbezogener Gesundheitsdaten, die besonders sensible Daten nach § 3 Nr. 9 BDSG sind und deren Schutz durch die ärztliche Schweigepflicht, § 203 StGB und das Standesrecht (§ 9 MBOÄ) gewährleistet wird, enthält Art. 11 Abs. 3 eine Entbindung von der Schweigepflicht Kraft Gesetzes. Die Kehrseite dieser gesetzlichen Erlaubnis bzw. Anordnung zur Datenverarbeitung ist die Informationspflicht (s.u.) gegenüber den Patienten.

Als Meldeanlässe definiert Art. 12 die Diagnose einer Tumorerkrankung. Für den labormedizinischen Bereich ist wichtig: die histologische, zytologische oder labortechnische Sicherung der Diagnose sowie jede Änderung im Verlauf der Tumorerkrankung bis hin zum Tod des Patienten sind zu melden.

Der behandelnde Arzt muss den Patienten über die Meldung und sein Widerspruchsrecht informieren, Art. 14 und hierzu ein mit den Datenschutzaufsichtsbehörden abgestimmten Muster-Informationsblatt verwenden, welches der Patient auch noch unterschreiben sollen. Der Laborarzt und anderen Ärzte ohne unmittelbaren Patientenkontakt sind zumindest von der unmittelbaren Patienteninformation befreit, müssen dafür jedoch den Einsender über ihre Meldung an das Krebsregister informieren.

Da eine möglichst vollständige Datenerfassung angestrebt ist, ist schon im Staatsvertrag vorgesehen, dass es möglichst nicht zu Widersprüchen kommen soll. Die Krebsregister sollen die Widerspruchsquoten überwachen und auf Ärzte einwirken, bei denen auffällig viele Patienten widersprechen. Das ist in Anbetracht des Grundrechts auf Datenschutz, Art. 8 der EU-Grundrechtscharta, eine befremdliche Regelung. Selbst wenn es zu einem Widerspruch kommt, wird zumindest die Tatsache des Widerspruchs erfasst und an das Register samt den personenbezogenen Daten gemeldet, womit faktisch zugleich die Information, dass die betreffende Person an Krebs erkrankt ist, trotz Widerspruch erfasst wird.

Kritik der doppelten Meldepflicht: behandelnder Arzt und Labor

Dabei irritiert die doppelte Meldung: ein Labor wird in der weit überwiegenden Zahl der Fälle für Einsender (behandelte Ärzte, Krankenhäuser) tätig und leitet diesen die Befunde weiter. Die Einsender sind ihrerseits meldepflichtig. Somit kommt es zu einer doppelten Meldung an das Krebsregister (durch den Laborarzt und den behandelnden Arzt), die dann auch noch doppelt bezahlt wird (pro Befundmeldung 4 Euro – zzgl. MwSt.- Umsatzsteuer, da keine medizinische Leistung, so BFH, Urteil vom 09.09.2015, Az. XI R 31/13). Zudem hat der Laborarzt den doppelten Aufwand, da er einerseits an das Krebsregister melden muss und andererseits noch den Einsender darüber informieren muss, dass er an das Krebsregister gemeldet hat. Sinnvoller wäre es, die Labore aus der generellen Meldepflicht herauszunehmen, und nur dann eine Meldepflicht vorzusehen, wenn ein Patient direkt beim Labor einen Befund beauftragt.

Ordnungswidrigkeit und Bußgeld für Verletzung der Meldepflicht an das Krebsregister

Wer vorsätzlich oder fahrlässig als meldepflichtige Person (insb. Arzt) entgegen Art. 11 die vorgesehene Meldung nicht, nicht rechtzeitig (binnen 4 Wochen), nicht richtig oder nicht vollständig übermittelt, handelt ordnungswidrig, Art. 35 Abs. 1 Staatsvertrag. Diese Ordnungswidrigkeit kann mit einem Bußgeld bis zum 50.000 Euro geahndet werden, Art. 35 Abs. 3.

Datentrennung – gemischte Befunde: Achtung Bußgeld-Falle!

Die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht, die Pflicht und damit datenschutzrechtlich gesehen das Recht zur Datenübermittlung besteht für den Arzt nur für die im Staatsvertrag vorgesehenen krebsbezogenen Daten. Hat z.B. ein Labormediziner neben der Krebsdiagnose noch zusätzlich weitere Befunde erhoben (z.B. Cholesterinwerte, Allergiebefunde), darf er diese Daten nicht übermitteln und muss sie, sofern er papierhaft übermittelt, schwärzen, darf also nicht einfach die Befunde an den Einsender doppelt ausdrucken und zusätzlich an das Krebsregister senden. Durch die unzulässig umfangreiche Datenübermittlung würde er nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG eine Ordnungswidrigkeit begehen, die nach § 43 Abs. 3 BDSG mit einem Bußgeld von bis zu 300.000 Euro geahndet werden kann. Zudem liegt für die nicht meldepflichtigen Daten keine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht vor, so dass zusätzlich noch das Strafbarkeitrisiko nach § 203 StGB besteht.

Hier hilft nur eine EDV-Schnittstelle, mittels derer nur die meldepflichtigen Daten übermittelt werden und zwar fristgerecht, vollständig und immer dann, wenn ein Meldefall vorliegt. In Anbetracht der geringen Kostenerstattung von nur 4 Euro (im Laborbereich) ist die Erfüllung der Meldepflicht auch nicht anders wirtschaftlich darstellbar.

Wie hat die Meldung zu erfolgen?

Zumindest kommunizieren Krebsregister und Krankenkassen bereits elektronisch. In der technischen Anlage zur elektronische Abrechnung sind Datenübertragungsstandards, Felder, Verschlüsselung etc. geregelt.

Soweit ist das Krebsregister jedoch im Verhältnis zu den einmeldenden Ärzten noch nicht: Wie sich aus der Arztinfo des Krebsregisters in Cottbus ergibt kann derzeit statt in Papier auch mittels Datenträger (sprich CD) die Meldung erfolgen. An der Online-Meldung wird noch gearbeitet.

„Die Übermittlung der Daten in strukturierter Form kann wahlweise in Papierform oder elektronisch nach Absprache mittels Datenträger erfolgen. Für Ihre Meldung stehen auf den jeweiligen Anlass bezogene Meldebögen auf der Homepage bereit. Perspektivisch wird die Möglichkeit der elektronischen Direktmeldung über ein Melderportal geschaffen, Lösungen hierfür sind bundesweit in Arbeit.“

Basis ist ein einheitlicher onkologischer Datensatz.

„Es besteht die Möglichkeit die Daten elektronisch im XML-Format zu melden. Die Schnittstellenbeschreibung ist unter folgendem Link: http://www.tumorzentren.de/onkol-basisdatensatz.html zu finden. Bitte speichern Sie die Daten verschlüsselt auf CD und übermitteln diese per Post an das örtlich zuständige Krebsregister.“

Soweit die aktuelle Praxis. Nun das Gesetz: Der Staatsvertrag sieht in Art. 13. Abs. 2 vor, dass die Meldungen in strukturierter elektronischer Form unter Verwendung der vorgegebenen elektronischen Formate zu übermitteln sind. Dabei sind technische und organisatorische Maßnahmen (vgl. Anlage zu § 9 BDSG) zu treffen, „die geeignet und erforderlich sind, den Zugriff unberechtigter Dritter auf die Daten während ihrer Übertragung oder ihrer Zwischenspeicherung auf Systemen, die für Übermittlung und Empfang der Meldungen verwendet werden, zu verhindern.“ Die Meldung muss zur Authentifizierung mit dem „elektronischen Heilberufeausweis“ signiert werden. Dies mag manchen Arzt erschrecken, der diese technischen und organisatorischen Anforderungen (noch) nicht erfüllen kann. Es gibt jedoch übergangsweise noch bis zum 31.12.2020 die Möglichkeit „in anderer Form, insbesondere durch Übermittlung ärztlicher Befundberichte oder mit maschinell verwertbaren Datenträgern“ die Meldepflichten zu erfüllen. Beide Seiten müssten jedoch ein wirtschaftliches und organisatorisches Interesse daran habe, den manuellen und damit kostenintensiven und fehleranfälligen manuellen Aufwand möglichst gering zu halten und möglichst schnell zu einer automatisierten elektronischen Verarbeitung ohne Medienbruch zu kommen.

Ausblick – EU-Datenschutzgrundverordnung – DSGVO

Am 25.05.2018 wird die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) endgültig in Kraft treten und das BDSG als deutsches Datenschutzrecht ablösen. Ein wesentlicher Punkt der DSGVO ist die deutliche Verschärfung der Bußgeldvorschriften. Es werden mehr Unterlassungen und Verletzungen bußgeldpflichtig werden und vor allem werden die Bußgelder massiv erhöht auf bis zu 20 Millionen Euro oder 4% des weltweiten Jahresgesamtumsatzes, Art. 83 Abs. 5 DSGVO. In der EU-DSGVO werden die Gesundheitsdaten, Art. 4 Nr. 15 DSGVO,  wie auch im BDSG besonders geschützt, Art. 9 DSGVO. Nach Erwägungsgrund 52 sind Ausnahmen vom Schutz der personenbezogenen Gesundheitsdaten zulässig, wenn dies der „Sicherstellung und Überwachung der Gesundheit und Gesundheitswarnungen, Prävention… Verwaltung von Leistungen der Gesundheitsversorgung, insbesondere wenn dadurch die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Verfahren zur Abrechnung von Leistungen in den sozialen Krankenversicherungssystemen sichergestellt werden soll, oder wenn die Verarbeitung im öffentlichen Interesse liegenden Archivzwecken, wissenschaftlichen oder historischen Forschungszwecken oder statistischen Zwecken dient.“ Die Verarbeitung der Daten ist aufgrund eines Gesetzes in einem Mitgliedsstaat zulässig, wenn dies u.a. das Recht auf Datenschutz wahrt, Art. 9 Abs. 2 g) DSGVO. Weitere Rechtfertigungen können sich aus Zwecken der Gesundheitsvorsorge, Art. 9 Abs. 2 h) DSGVO und der wissenschaftlichen Forschung, Art. 9 Abs. 2 j) ergeben. Insbesondere gestattet Art. 9 Abs. 4 DSGVO bestehende Regelungen zur Verarbeitung von Gesundheitsdaten beizubehalten.

Daher ist davon auszugehen, dass die derzeitige Meldepflicht auch nach Einführung der DSGVO ihre Gültigkeit behalten wird.

Bei weiteren Fragen zur Meldepflicht und zum Datenschutzrecht steht Ihnen Rechtsanwalt David Seiler, externer Datenschutzbeauftragter, gerne zur Verfügung.