Medizinischen Laboruntersuchungen und rechtliche Herausforderungen

Es gehört zum Praxisalltag, dass behandelnde Ärzte Laborleistungen in Auftrag geben. Dabei sind Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes und des Bürgerlichen Gesetzbuches, aber auch der Berufsordnung (MBO-Ä) und der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zu beachten, um nicht erhebliche finanzielle Schäden zu erleiden. Bei der Auslegung und Anwendung dieser Bestimmungen helfen die Interpretationen durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und durch die Datenschutzaufsichtsbehörden der einzelnen Bundesländer. Da es sich um die Interpretation von Bundesrecht handelt, kann das Verständnis einer Landesdatenschutzaufsichtsbehörde auch als Orientierungshilfe in anderen Bundesländern dienen.

Patient beschwert sich bei der Datenschutzaufsicht oder bezahlt die Laborrechnung nicht

In den konkreten Fällen ging es zum einen um einen Patienten, der von einem unterbeauftragten Speziallabor eine Rechnung bekam, ohne von seinem behandelnden Arzt über die Einschaltung dieses Labors unterrichtet worden zu sein und der sich daraufhin an die Datenschutzaufsichtsbehörde wandte.

In zwei weiteren Fällen ging es um Laborrechnungen über mehr als 5.000 Euro für eine Diabetestypisierung und über mehr als 21.000 Euro für eine Genotypisierung zur Marfandiagnostik. Die Patienten mussten diese Rechnungen nicht bezahlen. Das Labor kann statt dessen einen Schadensersatzanspruch gegen den einsendenden Arzt geltend machen, da die behandelnden Ärzte nach Ansicht der höchsten deutschen Zivilrichter medizinisch objektiv nicht notwendige Analysen beauftragt hatten

Der Landesdatenschutzbeauftragte für Baden-Württemberg hat in seinem 32. Tätigkeitsbericht für 2014/2015, veröffentlicht am 29.01.2016, sehr hilfreiche Ausführungen zum Datenschutz für die medizinischen Labore getroffen (S. 129 im TB 32 und zuvor im TB 30 S. 100). Damit gibt es eine zutreffende aufsichtsrechtliche Position, die die überholte Ansicht der Datenschutzaufsicht aus Schleswig-Holstein korrigiert, die eine schriftliche Einwilligung oder die pseudonyme Auftragserteilung gefordert hatte.

Zusammenfassung

Datenschutzrecht bei Laboruntersuchung

Der behandelnde Arzt kann den Laborarzt mit stillschweigender Vollmacht (sogenannte Innenvollmacht) des Patienten mit Laboruntersuchungen beauftragen. Der Vertrag über die Laboruntersuchung kommt also unmittelbar zwischen Patient und Laborarzt zustande, d.h. nicht der behandelnde Arzt schließt den Vertrag mit dem Labor sondern der Patient vertreten durch den behandelnden Arzt. Der behandelnde Arzt übermittelt die Patientendaten daher nicht selbst als verantwortliche Stelle, sondern als Vertreter des Patienten. Da es nicht zu einer Datenübermittlung durch den behandelnden Arzt im rechtlichen Sinne kommt, bedarf der behandelnde Arzt auch keiner datenschutzrechtlichen Einwilligung des Patienten.

Laborauftrag und Vertragsrecht

Grundlage dieser Auffassung sind zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 14.01.2010, wonach die stellvertretende Beauftragung des Laborarztes durch den behandelnden Arzt der Regelfall ist. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass

  1. der Patient von seinem Arzt zumindest im Grundprinzip über Sinn und Zweck der Probenentnahme aufgeklärt wurde und
  2. dass es sich bei der beauftragten Laboruntersuchung um eine für die weitere Behandlung medizinisch objektiv notwendige Laboruntersuchung handelt.

Handelt es sich nicht um objektiv medizinisch notwendige Laboruntersuchungen, etwa weil die Untersuchungen bereits vom vorbehandelnden Arzt vorgenommen wurden oder sie für die weitere Behandlung nicht notwendig sind, so handelt der das Labor beauftragende Arzt ohne Vollmacht. Die Folge ist, dass zwischen dem Patienten und dem Labor kein Vertrag zustande gekommen ist und das Labor keinen Kostenerstattungsanspruch gegen den Patienten hat. Unerheblich ist dabei, ob das Labor bzw. der Laborarzt die Notwendigkeit erkennen konnte, denn das ist Sache des behandelnden Arztes. Der Laborarzt hat in dem Fall dann einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den behandelnden und ihn als Vertreter ohne „Vertretungsmacht“ beauftragenden Arzt. Ob er diesen Anspruch durchsetzen mag, ist dann eine Frage der Geschäftspolitik.

Praktische Empfehlung

Empfehlung zum Datenschutz bei Laboraufträgen

Der behandelnde Arzt kann sich und auch die von ihm – im Namen des Patienten – beauftragten Labore in datenschutzrechtlicher Hinsicht absichern, in dem er den Empfehlungen der Datenschutzaufsicht folgend die Patienten über Folgendes informiert:

  1. Sofern Probenentnahmen (z.B. Blut) für diagnostische Zwecke vorgenommen werden, führt die Praxis die Untersuchung der Proben nicht selbst durch, sondern beauftragt damit im Namen des Patienten einen Laborarzt bzw. ein medizinisches Labor.
  2. Dieses Labor ist berechtigt, Spezialuntersuchungen, die es selbst nicht durchführt, an ein spezialisiertes Labor weiterzuleiten.

Welches konkrete Labor beauftragt wird, muss erst auf Nachfragen mitgeteilt werden.

Um die allgemeine Information nicht ständig wiederholen zu müssen, bietet sich die Übergabe eines Infoblattes bei der Patientenaufnahme an. Welche konkreten Laboruntersuchungen gemacht werden sollen, sollte dann im Patientengespräch erläutert werden.

Empfehlung zum Laborvertrag

Es ist zur Absicherung des behandelnden Arztes empfehlenswert, dass er dem Patienten mitteilt, welche Analysen durchgeführt werden sollen, warum dies für die weitere Behandlung wichtig ist und mit welchen Kosten er in etwa rechnen kann. Sofern die Kosten den üblichen Rahmen oder eine bestimmte Betragsgrenze, z.B. 1.000,- Euro, überschreiten, kann der behandelnde Arzte einen Kostenvoranschlag anfordern bzw. das Labor von sich aus zur Absicherung auf die zu erwartenden Kosten hinweisen und eine Bestätigung einholen.

Rechtliche Hintergründe

Grundsätzlich kann man sich aus rechtlicher Sicht zwei verschiedene Modelle der Vertragsgestaltung im Verhältnis Patient – Arzt – Labor vorstellen:

  1. Modell: Auftragskette:
    Patient – Behandlungsvertrag – Arzt – Laborauftrag – Labor
  2. Modell: parallele Verträge:
    Patient – Behandlungsvertrag – Arzt
    Patient – Laborauftrag – Labor
    (wobei der Patient vom Arzt bei Erteilung des Laborauftrages vertreten wird)

Der BGH hat sich in den beiden Urteilen vom 14.01.2010 zu den Aktenzeichen III ZR 188/09 und III ZR 173/09 für die Auffassung entscheiden, dass der Patient seinen Arzt bevollmächtigt, stellvertretend für ihn ein Labor mit der Durchführung der Untersuchungen zu beauftragen, es also zu zwei parallelen Verträgen kommt und nicht zu einer Auftragskette. Dieses zivilrechtliche Ergebnis hat bei der datenschutzrechtlichen Bewertung die Konsequenz, dass rechtlich gesehen der Patient die Daten für die Laboruntersuchung an das Labor gibt (wenn auch faktisch vertreten durch den Arzt). Dann benötigt der einsendende Arzt aber auch keine datenschutzrechtliche Einwilligung des Patienten, um die Patientendaten an das Labor geben zu dürfen. Damit erübrigt sich auch die von der Datenschutzaufsicht in Schleswig-Holstein geforderte schriftlich (= handschriftliche Unterschrift auf Papier) Einwilligungserklärung des Patienten nach genauer vorangehender Aufklärung durch seinen Arzt über die genauen Umstände der Datenverarbeitung. Die aus Schleswig-Holstein vorgeschlagene pseudonyme Erteilung von Laboraufträgen, z.B. durch eine Patientennummer, die nur der Einsender einem Patienten zuordnen kann, ist schon aufgrund der sozialrechtlichen Vorschriften zur Abrechnung von ärztlichen Leistungen unzulässig, die u.a. die Aufzeichnung von Familienname und Vorname der Versicherten fordern, § 295 Abs. 1 Nr. 3 SGB V i.V.m. § 291 Abs. 2 Nr. 2 SGB V .

Der Patient kann stillschweigend durch schlüssiges Verhalten – er lässt sich z.B. Blut für die zuvor besprochene Untersuchung abnehmen – seinem behandelnden Arzt (Einsender) eine Vollmacht erteilen, in seinem Namen einen Laborarzt mit der Laboruntersuchung zu beauftragen.

§ 167 Erteilung der Vollmacht

(1) Die Erteilung der Vollmacht erfolgt durch Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden (= der Arzt)…..

Diese Vollmacht reicht jedoch nur soweit, wie die Untersuchungen objektiv medizinisch notwendig sind für die weitere Behandlung. Zu diesem Auslegungsergebnis kommt der BGH aufgrund der Gebührenvorschrift des § 1 GOÄ:

§ 1 Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)

Abs. (2) Vergütungen darf der Arzt nur für Leistungen berechnen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich sind. Leistungen, die über das Maß einer medizinisch notwendigen ärztlichen Versorgung hinausgehen, darf er nur berechnen, wenn sie auf Verlangen des Zahlungspflichtigen erbracht worden sind.

Gestützt wird dieses Ergebnis von der Überlegung, dass ein Arzt nur das abrechnen darf, was er als Eigenleistungen in seinem Fachgebiet selbst an Leistungen erbringt (siehe z.B. § 42 Abs. 1 Brandenburgisches Heilberufegesetz und § 4 Abs. 2 GOÄ).

Daraus ergibt sich dann bei nicht objektiv medizinisch notwendigen Untersuchungen, dass der Einsender ohne Vollmacht handelt. Dann kommt auch kein Vertrag über die Laboruntersuchungen zwischen Labor und Patient zustande. Das Labor hat folglich keinen Anspruch auf Zahlung der Laborrechnung gegen die Patienten. Zudem bedeutet dies, dass die Datenübermittlung vom Einsender an das Labor und evtl. vom Labor an ein Speziallabor rechtswidrig erfolgt ist. Dieses Ergebnis gilt nach Ansicht des BGH auch dann, wenn das Labor seine Arbeit ordnungsgemäß und fehlerfrei erbracht hat. Das Labor darf grundsätzlich auf die Patientenuntersuchung und darauf basierende Laborbeauftragung des Einsenders vertrauen. Das Labor muss und kann hierauf keinen Einfluss nehmen. Auch wenn der BGH daher die Zahlungsklagen der Labore gegen die Patienten abgewiesen hat, sieht er die Labore dennoch nicht als schutzlos an, da sie nach seiner Ansicht gegen den Einsender einen Schadensersatzanspruch nach § 311 Abs. 3, § 241 Abs. 2 BGB haben kann. Der Einsender nimmt das besondere Vertrauen des Laborarztes in Anspruch. Dies rechtfertigt ihn für schuldhaft pflichtwidrige Beauftragung einer medizinisch nicht notwendigen Untersuchung haften zu lassen (BGH, Az. III ZR 188/09 – Randnummer 26). M.E. ist aber auch ein Schadensersatzanspruch gegen den Einsender als Vertreter ohne Vertretungsmacht bzw. vollmachtslosen Vertreter nach § 179 Abs. 1 BGB denkbar. Diese rechtstheoretische Sicht berücksichtigt aber nicht die wirtschaftliche und geschäftspolitische Situation der Labore. Diese dürften wirtschaftlich, zumindest aber geschäftspolitisch die Einsender als ihre Kunden ansehen und wären in Folge der BGH-Ansicht gehalten gegen ihre eigenen Kunden vorzugehen und damit ihre Geschäftsbeziehungen zu gefährden. Daher haben Labor und Einsender ein gemeinsames Interesse daran, die durch die fehlende Vollmacht entstehenden Probleme erst gar nicht entstehen zu lassen.

Der Einsender und behandelnde Arzt hat es also in der Hand, sich selbst und das von ihm beauftragte Labor in datenschutzrechtlicher wie auch in zivilrechtlicher Hinsicht durch eine Information des Patienten über den Umfang und die Kosten der Laboruntersuchung abzusichern und damit auch dem Eindruck vorzubeugen, dass Privatpatienten überzogene Rechnungen gestellt werden (man darf vermuten, dass die BGH-Richter mit ihrem beamtenähnlichen Status privat versichert sind und sich somit gut in die Situation der verklagten Patienten hinein versetzen konnten). Am Rande sei angemerkt, dass der BGH betont, dass er bzgl. der Vollmacht und der sonstigen zivilrechtlichen Konstruktion keinen Unterschied zwischen Privatpatienten und gesetzlich versicherten Personen sieht. Dies ist für die datenschutzrechtliche Einordnung wichtig und sichert Einsender und Labor somit (bei medizinisch notwendigen Untersuchungen) nicht nur bei Privatpatienten ab.

Rechtsanwalt David Seiler berät unter anderem zu Fragen des Datenschutzrecht im Gesundheitsbereich.