Die rechtliche Zulässigkeit des Einsatzes einer sogenannte DashCam bzw. On-board-Kamera ist stark umstritten, wie die beiden nachstehend zu besprechenden Urteilen zeigen.

VG Göttingen 1. Kammer, Beschluss vom 12.10.2016, 1 B 171/16

LG München I, Hinweisbeschluss vom 14.10.2016 – 17 S 6473/16

Der Einsatz von DashCams birgt für den Nutzer aufgrund der Rechtsunsicherheit und widersprüchlicher Urteile Risiken sich falsch zu verhalten. Hier ist es hilfreich zumindest die Leitplanken zu kennen, die sich aus der bisherigen Rechtsprechung ableiten lassen.

Siehe ergänzend hierzu den Beitrag zur Entscheidung des OLG Stuttgarts zur Beweisverwertung einer DashCam Aufnahme bei Rotlichtverstoß.

Beweissicherung im Straßenverkehr

Wer kennt sie nicht die Situationen beim Autofahren, ob in der Stadt, auf der Landstraße oder auf das Autobahn: oft werden von anderen Verkehrsteilnehmern die Straßenverkehrsregeln massiv verletzt, was mit unter zu sehr gefährlichen Situationen oder im schlimmsten Fall sogar zu Verkehrsunfällen führt. Da kommt leicht der Gedanke: „der gehört auf dem Verkehr gezogen“; „dem gehört der Führerschein entzogen“ oder „wie beweise ich, dass der anderem am Unfall schuld ist und mir meinen Schaden ersetzen muss“. Daraus erkennt man schon die beiden wesentlichen Fallkonstellationen:

  1. das eigene Beweissicherungsinteresse bei einem Verkehrsunfall mit Sach- oder Personenschaden oder
  2. das allgemeine Ordnungsinteresse gegen Verkehrsteilnehmer vorzugehen, die die Verkehrsregeln massiv missachten und damit eine Gefahr für die Allgemeinheit und die Verkehrssicherheit darstellen.

In der Fallkonstellation 1. geht es meist um Zivilprozesse im Rahmen von Schadensersatzforderungen und in der Fallkonstellation 2. um öffentlich-rechtliche Ordnungswidrigkeitenverfahren, z.B. Bußgeldern oder Entzug der Fahrerlaubnis.

In beiden Fällen ist die Beweisfrage entscheiden. Und hier kommen die Aufnahmen von DashCams ins Spiel, mit deren Hilfe das Verkehrsgeschehen vor oder auch hinter dem eigenen Fahrzeug aufgezeichnet werden kann. Wer schon mal in der Situation war, dass er in einen Unfall verwickelt wurde und seine Unschuld nicht beweisen kann, ist sicherlich geneigt dem vorzubauen und künftig eine DashCam zu installieren. Welche rechtlichen Folgen dies haben kann zeigt der Fall des VG Göttingen, Beschluss vom 12.10.2016, 1 B 171/16.

Datenschutzrechtliche Untersagungs- und Löschungsanordnung bzgl. DashCam Aufnahmen

Die Landesdatenschutzaufsicht in Niedersachsen ist gegen einen Autofahrer, der in der Presse als Knöllchen-Horst bezeichnet wird, mit einer aufsichtsbehördlichen Anordnung vorgegangen, die durch das VG Göttingen bestätigt wurde. Der Autofahrer hat an Front- und Heckscheibe seines PKW DashCams installiert und im Lauf der Jahre mit den so aufgenommenen Beweisbilder ca. 50.000 Verkehrsordnungswidrigkeiten zur Anzeige gebracht. In Folge der von ihm in November angezeigten Verkehrsordnungswidrigkeiten, bei denen der Bilder der DashCams per E-Mail den Anzeigen beifügte, leitete die Datenschutzaufsicht ein Kontrollverfahren gegen ihn ein. Trotz des Kontrollverfahrens brachte er im November 2014 noch weitere Ordnungswidrigkeiten zur Anzeigen. Gegenüber der Datenschutzaufsicht verteidigte er sein Vorgehen damit, dass er selbst wiederholte male Opfer von Straftaten geworden sei und die Kameras zur Selbst- und Eigentumsschutz angeschafft habe. Da er sieben Fragen der Datenschutzaufsicht nicht beantwortet hat, setzt sie gegen den Anzeigenerstatter ein Zwangsgeld von 700,- Euro fest. Hiergegen erhob er Klage, über die jedoch noch nicht entschieden ist.

Der Anzeigenerstatter brachte trotz des Vorgehens der Datenschutzaufsicht gegen ihn auch im Mai und Juni 2016 weiter Verkehrsordnungswidrigkeiten zur Anzeigen, wobei er zum Beweis Aufnahmen der DashCams beifügte. Die Datenschutzaufsicht erlies, nachdem sie den Autofahrer zuvor angehört hatte, eine datenschutzaufsichtliche Anordnung mit folgendem Inhalt:

  1. DashCams nur noch so einzusetzen, dass andere Verkehrsteilnehmer, die die Straße widmungsgemäß nutzen, nicht gefilmt werden + Zwangsgeld 5.000,- €
  2. Gespeicherte (Video-)Aufnahmen aus dem öffentlichen Straßenverkehr, die nicht ausschließlich persönlichen und familiären Zwecken dienen, binnen 7 Tagen zu löschen + Zwangsgeld 1.000,- €
  3. die Löschung binnen 2 Wochen schriftlich zu bestätigen + Zwangsgeld 100,- €

Zur Begründung führt die Aufsichtsbehörde aus, dass es sich um nicht rein private Aufnahmen handelt und damit das Bundesdatenschutzgesetz, BDSG, anwendbar ist. Die Videoüberwachung des Straßenverkehrs durch Privatpersonen sei nicht nach § 6a BDSG zu lässig, weil sie nicht berechtigten Interessen diene. Die schutzwürdigen Interessen der Verkehrsteilnehmer, nicht permanent videoüberwacht zu werden überwiegt. Die Löschungsanordnung wird auf § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BDSG gestützt. Die Behörde ordnet die sofortige Vollziehung ihrer Anordnung an. Dies bedeutet, dass der Anordnung auch dann Folge zu leisten ist, wenn ein Widerspruch eingelegt oder Klage erhoben wird. Hiergegen wehrt sich der Autofahrer durch eine Klage im einstweiligen (Eil-)Rechtsschutz.

VG Göttingen hält die DashCam Aufnahmen für datenschutzwidrig

Das Verwaltungsgericht (VG) Göttingen entschied, dass die Videoaufnahmen nicht nur privat erfolgen, da sie gemacht werden um sie als Beweismittel den Behörden im Rahmen von Anzeigen vorzulegen. Damit ist das BDSG anwendbar, § 27 BDSG, und die Aufsichtsbehörde kann nach § 38 BDSG tätig werden.

Beachtenswert auch für die datenschutzrechtliche Beurteilung von Fotos ist die Feststellung, dass die Video- oder Fotoaufnahmen personenbezogene Daten enthalten (Rn 33). Wenn die Gesichter erkennbar sind, ist die Person auf der Aufnahme bestimmbar. Dann sind die weiteren erfassten Daten, insbesondere die GPS-Daten (Ort- und Datum) und das Kfz-Kennzeichen personenbezogene Daten. Das Aufnahme ist datenschutzrechtlich ein Erheben der Daten, § 3 Abs. 3 BDSG, die Speicherung der Aufnahme eine Verarbeitung, § 3 Abs. 4 BDSG. Die Vorlage der Aufnahme zu Beweiszwecken bei Behörden wird als „Nutzen“ gemäß § 3 Abs. 5 BDSG eingeordnet. M.E. liegt hier aber eine Datenübermittlung nach § 3 Abs. 4 Nr. 3 BDSG vor.

Da weder eine Einwilligung der aufgenommenen Personen noch eine gesetzliche Erlaubnis vorliegt, § 4 Abs. 1 BDSG – Verbot mit Erlaubnisvorbehalt), liegt eine rechtswidrige Datenverarbeitung durch den Betrieb der DashCams vor. Die Aufnahmen würde nicht zu konkret festgelegten und berechtigten Zwecken erfolgen so dass die berechtigten Interessen der abgebildeten Personen überwiegen. Das Gericht sagt sodann recht deutlich, was es im Kern stört: eine Privatperson „schwingt sich zum Sachwalter öffentlicher Interessen auf. Die öffentliche Aufgabe der Gewährleistung eines gesetzeskonformen Straßenverkehrs obliegt ausschließlich den Straßenverkehrsbehörden und der Polizei, nicht aber privaten Dritten.“

Wenn der Autofahrer nicht selbst konkrete gefährdet ist, überwiegen die berechtigten Interessen der unbeteiligten Personen, z.B. Fußgänger, die zufällig ins Bild kommen.

Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes hat das Gericht nicht alles im Detail geprüft, sondern eine summarische Prüfung vorgenommen. Es kam zum Ergebnis, dass die Anordnung der Datenschutzaufsicht rechtmäßig war und die Klage dagegen zwar zulässig aber unbegründet.

Die praktische Konsequenz im Fotorecht wäre, dass Straßenfotografie, street art, datenschutzrechtlich unzulässig wäre.

LG München für Beweisverwertung von DashCam Aufnahmen

Das LG München hatte im Rahmen eines zivilrechtliche Schadensersatzprozesses nach einem Verkehrsunfall darüber zu entscheiden, ob in diesem Rahmen die DashCam Aufnahmen zu Beweiszwecken von einem Sachverständigen ausgewertet werden dürfen.

LG München I, Hinweisbeschluss vom 14.10.2016 – 17 S 6473/16

Unfall auf der Autobahn beim Spurwechseln

Es ging um die Frage, ob derjenige, der auf der Autobahn die Spur gewechselt hat, alleine haftet, was grundsätzlich der Fall ist, oder der Unfallgegner mit schuld ist und mit haftet. Die Vorinstanz (das erste Gericht) hatte das Beweisangebot des Klägers, ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten einzuholen und dem Sachverständigen die DashCam-Aufnahmen zu zeigen, abgelehnt. Das VG Göttingen ist jedoch der Ansicht, dass es sich bei der DashCam-Aufnahme um ein zulässiges Beweismittel handelt, analog zu § 371 ZPO. In der Zivilprozessordnung (ZPO) sind ausdrücklich keine Beweisverwertungsverbote geregelt. Daher ist im Einzelfall eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, wenn es Beweismittel möglicherweise rechtswidrig erlangt wurde. Man stelle sich wieder die Justizia mit der Waage vor: in die eine Seite der Waagschale legt man das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das durch das Grundgesetz geschützt ist und im Recht am eigenen Bild, § 22 KUG (Kunsturhebergesetz) und Bundesdatenschutzgesetz, in § 6a BDSG, einen Ausdruck findet.

Das Gericht hält die Aufnahme selbst noch nicht für einen Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild, weil dieses nicht davor schützt aufgenommen zu werden, sondern erst bei der Veröffentlichung der Bilder eingreift. Zum anderen sieht das Gericht das Tatbestandsmerkmal der Veröffentlichung und des Verbreitens nicht erfüllt, wenn die Aufnahmen lediglich als Beweismittel bei Behörden oder vor Gericht vorgelegt wird.

Datenschutzrechtlich betont das Gericht, dass Videoüberwachung nach § 6 b BDSG zulässig ist, wenn es zuvor festgelegten und berechtigten Interessen dient. Der festgelegte Zweck ist die Beweissicherung und daran besteht ein berechtigtes Interesse. Die Belastungs- und Eingriffsintensität der Videoaufnahmen vom Verkehrsgeschehen wird als sehr gering eingestuft, weil es sich um die Teilnahme am öffentlichen Leben handelt und nicht um die Privatsphäre.

Auf der anderen Seite der Waage lässt sich das Rechtsstaatsprinzip, Art 20 GG, anführen. Hierzu gehört auch ein effektiver Rechtsschutz, Art. 19 GG und das Streben nach materielle richtigen Urteilen im Interesse des Gemeinwohls. Wenn aufgrund des schnelle und unvorhersehbaren Verkehrsgeschehens Beweise nicht anders zu sichern sind, ist die Beweissicherung durch DashCam-Aufnahmen gerechtfertigt.

Im Rahmen der Abwägung, ob die Aufnahmen verwertet werden dürfen, ist zu berücksichtigen, ob eine permanente oder nur eine anlassbezogene Aufnahme Aufzeichnung erfolgt und ob es eine automatische Löschung, z.B. durch automatisches Überschreiben alter Aufnahmen innerhalb einer bestimmten Zeitspanne gibt oder ob eine dauerhafte Speicherung vorgesehen ist.

Das Gericht ordnet sodann die Beweisaufnahme und die Einholung eines Sachverständigengutachtens an.

Fazit

Solange es noch keine klaren gesetzliche Regelungen zum Einsatz von DashCams gibt, kann man grob als Zwischenstand festhalten, dass die Gerichte in Zivilverfahren, bei denen es um den Beweis eines konkreten Unfallgeschehens und Schadensersatz geht, dazu tendieren die DashCam Aufnahmen als Beweismittel zuzulassen. Wer Geräte einsetzt, die z.B. durch eine Beschleunigungssensors von selbst starten oder sich schnell in einer Gefahrensituation starten lassen und die alte Aufnahmen z.B. nach einer Stunde automatisch überschreiben, erhöht seine Chance, dass die Aufnahmen als Beweismittel zu gelassen werden. Hilfreich wäre auch noch ein Aufkleber „DashCam an Bord – Verkehrssünder werden zur Anzeige gebracht“ und die Videoaufzeichnung und deren Zweck transparent zu machen.

Wer hingegen die Aufnahmen dazu nutzen, um Verkehrsverstöße anzuzeigen ohne selbst betroffen zu sein, muss damit rechnen, dass die Datenschutzaufsicht, wenn sie davon erfährt, gegen ihn vorgeht, insbesondere wenn der Aufzeichnende sich ungeschickt gegen die Rechtsauffassung der Datenschutzaufsicht stellt und sie durch wiederholte Missachtung provoziert. Zwar hat auch eine Behörde nicht immer recht, im konkreten Fall wurde ihr aber vom Gericht recht gegeben. Allerdings kommen bei der Urteil m.E. die Interessen der Verkehrsteilnehmer an einem regelkonformen und damit im Regelfall auch sichereren Verkehrsgeschehen in der Abwägung zu kurz. Das Interesse der Allgemeinheit daran, dass niemand durch Raser, Drängler, Rotlichtsünder und sonstige Verkehrsrowdy zu schaden oder gar um Leben kommt, darf nicht geringer eingeordnet werden als das Recht dieser Verkehrssünder am eigenen Bild oder das Recht am eigenen Bild und das Datenschutzrecht der Unbeteiligten, deren Aufnahmen ohnehin mangels Interesse niemand mehr weiter verwendet und die als Beiwerk anzusehen sind.

Rechtsanwalt David Seiler berät zu Fragen des Fotorechts und des Datenschutzrechts